Messinggriffe

Antiseptische Wirkung von Kupferlegierungen

AutorSebastian Porath Apr 13, 2020

Denken Sie immer daran, dass einige Ideen die tot und begraben scheinen, das eine oder andere Mal wieder zum Leben erweckt werden - vitaler als je zuvor.

-Louis Pasteur

Mein Vater hat zwei Häuser gebaut. Die Türen hatten immer massive Messing-Griffe. Auch das von meinen Eltern gegründete Antiquariat in der Hoheluft Chaussee zu Hamburg bekam einen Türgriff aus massivem Messing.

“So haben Forscher der Universitäten Bern und des Saarlandes in Laborversuchen festgestellt, dass Bakterien und Viren in direktem Kontakt mit Kupfer absterben, und zwar zu 99% innerhalb der ersten beiden Stunden. Das war zur großen Zeit der Messingdrücker an der Wende zum 20. Jahrhundert noch nicht wissenschaftlich nachweisbar, aber man hat es geahnt. Von Generalstabsarzt Ferdinand Sauerbruch soll der Ausspruch stammen: »Wenn Krankenhäuser gebaut werden, gehören da Türklinken aus Messing hinein! Nicht nur, weil sie schön aussehen, sondern wegen ihrer Bakterien und Viren tötenden oligodynamischen Wirkung«. Man stelle schon zu Sauerbruchs Zeiten fest: in Krankenhäusern mit Messingbeschlägen, den »Kupferzimmern«, breiteten sich kaum übertragbare Krankheiten aus. Die keimtötende Wirkung der Oberfläche einer Kupferlegierung setzt allerdings voraus, dass diese metallisch blank ist; das bleibt sie bei reger Benutzung auch, denn Handschweiß zerstört eine eventuelle Patina.”[1]

Wir kommen aus Handwerker-Familien. Ist es altes Wissen, wie bei Ferdinand Sauerbruch? Oder nur eine Ahnung von altem Wissen?

Kupfer in der Medizin der Antike

In Prähistorischer Zeit war Medizin eng mit Religion verknüpft. Zutaten für Heilmittel wurden routiniert nach magisch-empirischen Kriterien gemischt, die Heilung wurde mit Symbolen und Amuletten in komplexen esoterischen Ritualen vollzogen.

Malachit - basisches Kupfercarbonat [a]

Malachit - basisches Kupfercarbonat [a]

Die heilende Eigenschaft von Kupfer wurde von fast allen alten Kulturen erkannt, sei es als allgemeines Medikament oder schon als Antiseptikum. Insbesonders das entzündungshemmende Potential zeugt von einer intuitiven Vorahnung der später wissenschaftlich bestätigten antimikrobiellen Kraft des Metalls. Malachit taucht in frühesten medizinischen Schriften auf, das auch Kupfergrün oder Kupferspat genannte Mineral besteht zu einen Großteil aus Kupfer.

Im folgenden ein paar Beispiele für die frühe Anwendung von Kupfer in verschiedenen Alten Kulturen[2][3]:

Sumerer (ca. 3. Jahrtausend. v.Chr.)

pulverisiertes Malachit wurde für generische medizinische Zwecke genutzt

Das Alte Ägypten

aus frühen schriftlichen Fragmenten sowie späteren ausführlichen Schriften geht hervor dass pulverisiertes Malachit sehr weite Verbreitung zur Zubereitung des typischen blau-grünen Augen Make-Up fand. Unabhängig vom dekorativen Zweck, diente es zur Heilung bzw. Prävention von Augeninfektionen, die durch das trockene Klima auch heute noch sehr häufig auftreten.

Im “Papyrus Edwin Smith” (ca. 1650-1550 v.Chr.) wird Verwendung von pulverisiertem Malachit erwähnt, von dem angenommen wird, dass er heilende und antiseptische Eigenschaften zur Behandlung von postoperativen Wunden besitzt.

Babylon-Assyrer(ca. 1750-539 v.Chr.)

Im babylonisch-assyrischen Arzneibuch werden etwa 250 Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs sowie 120 aus Mineralien gewonnene Verbindungen zitiert. Unter den Mineralien werden diejenigen, die Kupfer enthalten, speziell erwähnt. Die Verwendung eines Kupferarmbandes wird als nützliches, nicht spezifisches pharmakologisches Instrument angegeben.

Das Alte Indien (ca. 2800-1000 v.Chr.)

Im Samhita Charaka und dem Susruta Samhita (geschrieben in Sanskrit während des brahamanischen Zeitalters, ungefähr zwischen 800 v. Chr. und 1000 v. Chr.) wird über die Verwendung von Kupfer (als Sulfid oder Sulfat) zur Herstellung von Zubereitungen für unspezifische medizinische Zwecke berichtet

Das Alte China (ca. 3000-1100 v.Chr.)

Im ‘‘Kanon der Medizin’’ wird pharmakologische Verwendung von Kupfersulfat (oder -sulfid) dokumentiert, nicht nur zur Behandlung von Haut- und Augenkrankheiten, sondern auch zur Blutreinigung. Letzteres ist wahrscheinlich die erste bekannte Erwähnung zur oralen Verabreichung von Kupfer.

Meso- und Süd- Amerikanische Kulturen (ca. 600 v.Chr. - 1500 n.Chr.)

Entfernung von Teilen des Schädels fand hier weite magisch-rituelle Verbreitung, besonders die Inka erreichten eine hohe Überlebensquote dieser Prozedur: über 50%! Insbesondere wurde in einer Kupfersulfatlösung getränkte Verbandsmull routinemäßig verwendet, um die chirurgischen Wunden nach dem Entfernen des Schädelabschnitts zu desinfizieren.

Die Alten Griechen

In den Originalbüchern von Hippokrates war die Verwendung von Kupferpräparaten eindeutig für die Therapie von Haut- und Augenkrankheiten, Vaginalstörungen (unter Verwendung einer Spülung mit Kupferlösungen oder Suspensionen) und Hämorrhoiden (unter Verwendung von Kupfer enthaltenden Zäpfchen). Schließlich schlug die antike griechische Medizin als erste das Tragen des Kupferarmbandes als antiarthritisches Mittel vor.

Miniatur Äxte aus Kupfer und anderen Materialien waren schon Früh von Bedeutung [b]

Miniatur Äxte aus Kupfer und anderen Materialien waren schon Früh von Bedeutung [b]

Die Alten Römer (ca. 600 v.Chr. - 476 n.Chr.)

Im Naturalis Historia von Plinius "der Ältere" (23–79 v. Chr) wird neben medizinischen, pflanzlichen und tierischen Derivaten auch Kupfer, in vielen Zubereitungen erwähnt. In Form von pharmakologisch aktiven Verbindungen wie Kupferoxiden, Kupfersulfid, Kupfersulfat, basischem Kupfer (II) -carbonat und basischem Kupfer (II) -acetat

Es wurde insbesondere zur Behandlung von Augen- und Hautkrankheiten, Mandelentzündungen, Halsentzündungen usw. empfohlen.

Römisches Kupfer-Armband[c]

Celsus (ca. 25 v. Chr - 50 n. Chr.) erkannte Kupfer als nützliches antiseptisches und entzündungshemmendes Mittel an. Insbesondere das entzündungshemmende Potential von basischem Kupfer (II) -carbonat (z.b. Malachit) Kupferverbindungen wurden in der Tat häufig in Celsus 'sehr ausgefeilten Rezepten verwendet, wie z.B. zur Behandlung von Analrhagaden, Hämorrhoiden, Mandelentzündung, Wunddesinfektion.

Tatsächlich führte Celsus in der Orthopädie erstmals die Anwendung von Kupferplatten ein (die für diese Bedingungen als geeignet angesehen wurden, da sie auch antiseptisch und entzündungshemmend sind), um die Wiederherstellung zerlegter Frakturen zu fördern. Interessanterweise wurde diese Praxis noch mehr als 1400 Jahre später angewandt, wie ein kürzlich in Belgien entdecktes menschliches Skelett (Kathedrale von Vrasene) zeigt.

Auch Galenos von Pergamon (129–200 v. Chr.) erwähnte Kupferpräparate die denen von Plinius und Celsus ähnelten.

Die Entdeckungen der modernen Mikrobiologie, Physiologie und Biochemie, drängte Kupfer in der Medizin immer mehr in den Hintergrund.

Das änderte sich erst in letzter Zeit.

Kupfer in der modernen Medizin

Kupfer übt seine Toxizität gegenüber Mikroorganismen durch mehrere parallele Mechanismen aus. Dazu gehören die direkte Kontaktabtötung und Schäden durch freigesetzte Kupferionen.

Mikroorganismen haben keine Methode entwickelt sich gegenüber Kupferüberladung zu schützen. Wenn sie hohen Kupferkonzentrationen ausgesetzt werden, werden sie daher irreversibel beschädigt und getötet.[4]

Unter Laborbedingungen hat sich bereits ergeben dass antimikrobielle Kupferoberflächen innerhalb von 2 Stunden nach Exposition mehr als 99,9% folgender Bakterien abtötet: MRSA, VRE, Staphylococcus aureus, Enterobacter aerogenes, Pseudomonas aeruginosa und E. coli O157: H7.

In den klinischen Studien wurde bei den Kupferlegierungskomponenten eine Verringerung der Bakterien um 83% im Vergleich zu den Oberflächen aus Standardmaterialien in den Kontrollräumen festgestellt.[5]

Besonders nosokomiale Infektionen (Infektionen die Patienten sich während des Krankenhausaufenthalts einfangen) machen den modernen medizinischen Einrichtungen zu schaffen. Schätzungen gehen von 400.000 bis eine Million nosokomiale Infektionen pro Jahr in Deutschland aus. [6][7]

Besonders von Multiresistenten Bakterien(MRSA) geht eine immer höhere Gefahr aus. Wo Heilung immer schwieriger wird, wird Präventation immer wichtiger.

Die Asklepios Klinik Wandsbek in Hamburg hat bereits 2008/2009 einen ersten praktischen Feldversuch durchgeführt. Dabei wurden zwei Krankenhausstationen mit Türklinken, Lichtschalter und Türplatten aus speziellen Kupferlegierungen ausgestattet. Die Gefahr nosokomialer Infektionen konnte dabei um bis zu 58% gesenkt werden. [8]

Das Asklepios Klinikum Harburg in Hamburg hat aufgrund dieser Tests in ihrem Neubau über 600 Türklinken aus Kupferlegierungen (ca. 70% Kupfer Anteil) verarbeitet. Das erklärte Ziel: Die Reduktion nosokomialer Infektionen. Um die keimreduzierend Wirkung auch bei oberflächenbeschädigungen zu erhalten müssen natürlich massive Kupferlegierungen ohne Beschichtung eingesetzt werden.

“Antimikrobielle Kupferoberflächen dürfen nicht gewachst, gestrichen, lackiert oder anderweitig beschichtet werden.

Bei regelmäßiger Reinigung beeinträchtigt normales Anlaufen oder Abnutzen von antimikrobiellen Kupferoberflächen die antimikrobielle Wirksamkeit des Produkts nicht.” [9]

Das alte Wissen dringt in die Moderne.

Die Wirkung von Kupferlegierungen zeigt sich übrigens auch bei SARS-CoV-2 . Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt hierzu:

“Für das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen erste Laboruntersuchungen einer amerikanischen Arbeitsgruppe, dass es nach starker Kontamination bis zu 3 Stunden als Aerosol, bis zu 4 Stunden auf Kupferoberflächen, bis zu 24 Stunden auf Karton und bis zu 2-3 Tagen auf Edelstahl und Plastik infektiös bleiben kann. “[10]

Das Neuentdecken der alten Verwendung für Kupferlegierungen inspiriert bisweilen die Menschen Heute genauso wie es die alten Kulturen getan hat. Von Atemmasken mit Kupferanteil, aus dem 3D Drucker [11] über kupferhaltige Spritzen (zur Abtötung von HIV-1!), bis hin zu anti-allergischer Bettwäsche und antibakteriellen Handschuhen. [12]

Die Kupfer-Vielfalt in der Axt-Collection

Als wir die “Axt-Collection” 1999 in die Welt setzten wurde von uns eine klare Entscheidung getroffen: Bei allen Metallen die wir verwenden wird auf Oberflächen-Beschichtung verzichtet.

Und dabei ist es geblieben.

Alle unsere Bronze-Äxte und Bronze-Ketten bestehen aus mindestens 70% Kupfer und sind naturbelassen, wie in alten Zeiten.

In diesem Sinne – Bleiben Sie Gesund!

[1]Mit freundlicher Genehmigung von: Verlag Hephaistos e.K. Gnadenberger Weg 4, D-87509 Immerstadt-Werdenstein aus dem aktuellen HEPHAISTOS 2/2020, geschrieben von Josef Moos.

[2]Dollwet, H.H.A. and Sorenson, J.R.J. (2001) Historic Uses of Copper Compounds in Medicine. Trace Elements in Medicine. 2nd Edition, The Humana Press Inc., Arkansas, 80-87.

[3] Milanino R. Copper in medicine and personal care a historical overview. Copper and the skin. In: Hostynek JJ, Maibach HI, editors; pp. New York NY: Informa Healthcare USA; 2006. pp. 149–160.

[4]Borkow G. Using copper to improve the well-being of the skin. Curr. Chem. Biol. 2014;8:89–102. doi: 10.2174/2212796809666150227223857

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4556990/

[5]Michels H.T., Keevil C.W., Salgado C.D., Schmidt M.G. From laboratory research to a clinical trial: Copper alloy surfaces kill bacteria and reduce hospital-acquired infections. Herd. 2015;9:64–79. doi: 10.1177/1937586715592650.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4561453/

[6]P. Gastmeier, C. Geffers: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Eine Schätzung für das Jahr 2006. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. Band 133, Nr. 21, 2008, S. 1111–1115, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2008-1077224

[7]Hygiene-Tipp, Dezember 2015, Letales Risiko durch nosokomiale Infektionen http://www.krankenhaushygiene.de/informationen/hygiene-tipp/hygienetipp2015/557

[8]"Kupfer gegen Keime: Asklepios Klinikum Harburg sorgt für mehr Patientensicherheit" https://www.asklepios.com/presse/presse-mitteilungen/konzernmeldungen/kupfer-gegen-keime~ref=4ab1380b-6900-416e-89ee-cb6c64f61cab~

[9]"Copper Development Association, Inc. (CDA)" https://www.copperalloystewardship.com/physical-properties

[10]https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html

[11]https://copper3d.com/

[12]Borkow, G. and Gabbay, J. (2004), Putting copper into action: copper‐impregnated products with potent biocidal activities. The FASEB Journal, 18: 1728-1730. doi:10.1096/fj.04-2029fje https://faseb.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1096/fj.04-2029fje

[a]Malachit aus Gumeschewsk, Ural anagoria unverändert von Anagoria aus dem Museum für Naturkunde Berlin unter der Creative Commons Attribution 3.0 Unported lizenz einzusehen unter https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

[b]Copper alloy miniature axe, Roman in date. Unverändert von Frances McIntosh, verfügbar auf https://finds.org.uk unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic lizenz einzusehen unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de

[c]"Roman Bracelet" unverändert von Winchester Museum Service, Laura McLean, verfügbar auf https://finds.org.uk unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic lizenz einzusehen unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de

Titelbild: Church of the Presentation of Mary, Velyka Horozhanna von Aeou unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International einzusehen unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de